Ok ich muss zugeben, der folgende Blogeintrag ist vielleicht an der ein oder anderen Stelle eine schwere Kost. Aber das Thema ist für mich so faszinierend, dass ich darüber schreiben möchte. Es geht um Semantik, genauer gesagt um die Theorie der Prototypensemantik.
Die Prototypensemantik hat sich seit den 1970er Jahren aus der so genannten Prototypentheorie von Eleanor Rosch entwickelt. Ziel dieser Theorie war es zu beweisen, dass die Wahrnehmung von unserer Umwelt auf der einen Seite und die semantischen Kategorien, in die wir unsere Umwelt einteilen auf der anderen Seite ähnliche Strukturen zeigen. Wir strukturieren demnach verschiedene Kategorien von “Dingen” indem wir alle Vertreter dieser Kategorie in eine Rangfolge zueinander stellen.


Fangen wir von vorne an: Wenn ihr euch als Leser*Innen zum Beispiel einen Vogel vorstellen sollt, woran würdet ihrzuerst denken? Ich behaupte mal, dass ein Emu oder ein Pinguin eher nicht zu den ersten Bildern in eurem Kopf gehört hat. Viel eher dürftet ihr wahrscheinlich an ein Rotkehlchen oder eine Taube gedacht haben. Diese Vögel gehören zu den so genannten Prototypen mit der Eigenschaft “Vogel”.
Hier haben wir es mit einem klassischen Fall der so genannten “Prototypizität” zu tun, also einer allgemeinen Vorstellung des Prototypen in dem Fall eines Vogels.

In mehreren Experimenten konnte Rosch beweisen, dass eine Verbindung zwischen dem so genannten Grad der Prototypizität und dem Grad der Verwandtschaft existiert. Prototypen einer Gruppe haben die größte Anzahl an gemeinsamen Merkmalen mit anderen Vertretern dieser Gruppe. Gleichzeitig haben diese Vertreter die geringste Ähnlichkeit mit anderen Kategorien, zum Beispiel Meeressäugern. Wir bilden also gewissermaßen eine horizontale Rangfolge beginnend bei dem Prototypen, die nach außen immer ungenauer wird.
Weitere darauf basierende Experimente konnten außerdem nachweisen, dass wir Menschen zusätzlich in einer vertikalen Ebene Kategorien bilden, Objekte also in vertikalen Ebenen einteilen. Grundsätzlich denken wir demnach in der so genannten Basisebene.

Nehmen wir an, ich möchte euch von meinem neuen Hobby erzählen. Ich könnte also sagen, “Ich habe gestern zum ersten mal eine Pflanze gepflanzt”. Ihr würdet sehr schnell erkennen, dass dieser Satz grammatikalisch einwandfrei ist, aber euch nicht wirklich weiter bringt. Ich habe hier ein “Hyperonym” also einen Oberbegriff verwendet.


Ich könnte den Satz umformulieren: “Ich habe gestern zum ersten mal eine nordamerikanische Roteiche
gepflanzt.” Gehen wir davon aus, dass ich nicht Mitglied im Zuchtverein für nordamerikanische Roteichen bin, würdet ihr euch sicherlich fragen, warum ich so viel Wert auf die Roteiche lege. Ich habe in diesem Fall ein Hyponym gewählt.

Ich könnte auch einfach sagen: “Ich habe gestern zum ersten mal einen Baum gepflanzt.” Jetzt habe ich die Basisebene gewählt. Sie wird von Rosch als “das stärkste allgemeine und inklusive Level auf dem
Kategorien einen Bezug zur realen Welt herstellen können” beschrieben. Diese Basisebene ist nach Rosch die Ebene, mit der wir unsere Alltagssprache mit Leben füllen. Wir sind also sprachlich betrachtet sehr durchschnittlich denkende Lebewesen.

Quellen:

http://www.cns.nyu.edu/~david/courses/perceptionGrad/Readings/Rosch-1976.pdf
https://www.linguist.de/overberg/sem.html#1
https://www.linguist.de/overberg/sem.html#2.2

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