Für uns Westeuropäer ist die zeitliche Abfolge von Ereignissen relativ eindeutig (zumindest in der Theorie, aber dazu später): Die Zukunft liegt vor uns, die Vergangenheit liegt hinter uns. Wir blicken also nach vorne, wenn wir uns auf zukünftige Ereignisse beziehen und wir blicken zurück auf vergangene Ereignisse und tatsächlich ist dieses Konzept in den meisten Sprachen so vertreten. Nach unserer Vorstellung ist die Zeit also wie ein Weg, der beschritten wird.
Die Angehörigen des Aymara-Volkes in Chile jedoch betrachten die Zeit in einer völlig entgegengesetzten Sichtweise. Für sie ist die Zukunft hinter ihnen, während die Vergangenheit vor ihnen liegt. Hier liegt ein Konzept der Sichtbarkeit zugrunde. Die Zukunft kann noch nicht erkannt werden, sie liegt außerhalb des sichtbaren Bereichs, also hinter uns. Die Vergangenheit ist jedoch bekannt, sie können wir klar sehen, dem entsprechend liegt sie vor unseren Augen ausgebreitet.
Zurück zu unserer eigenen Zeitrechnung. Ist es nicht interessant, dass wir Ereignisse, die weiter in der Vergangenheit, also weiter “zurück” liegen mit dem Wort “vor” und Ereignisse, die weiter in der Zukunft liegen mit dem Wort “danach” beschreiben? Hier haben wir sprachliche Muster entwickelt, die denen der Aymara ähneln. Allerdings ist unsere Sprache auch hier nicht eindeutig, wie ein Experiment zeigen soll: Nehmen wir an, Person x soll an einem Geschäftsessen um 12 Uhr mittags teilnehmen. Jetzt erfährt diese Person, dass das Essen um eine Stunde nach vorne verlegt wurde. Wann findet das Essen jetzt statt?
Ich hoffe, die vielen Zeitreisen haben euch nicht vollständig verwirrt. Ich nehme mir jetzt die Zeit und denke über weitere interessante Themen aus der Welt der Sprache nach.
Quellen:
https://www.wissenschaft.de/geschichte-archaeologie/zurueck-in-die-zukunft-3/
https://rette-sich-wer-kann.com/sprache/zeitkonzepte-schaust-du-nach-vorne-oder-hinten/