Der ursprüngliche Post ist tatsächlich 4 Jahre alt und ich muss leider feststellen, dass sich nichts auch nur im Ansatz verändert hat. Ja, Sprachwandel braucht seine Zeit, aber für diesen Sprachwandel brauchen wir wohl einen langen Atem:

Randnotiz: Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Eintrag veröffentlichen soll oder lieber nicht. Da ich aber als Blogger durchaus auch eine Verantwortung sehe, mich zu gesellschaftspolitischen Themen zu äußern, werde ich auch jetzt zu einem Thema Stellung beziehen, das eigentlich in unserer Gesellschaft nicht mehr wirklich diskutiert werden sollte. “Bist du behindert?!” Diese Frage ist mir vor kurzem während einer Diskussion gestellt worden. Ich habe es gewagt, die Thesen meines Gegenüber zu hinterfragen und kritisch zu bewerten.

 An dieser Stelle sollte ich vielleicht als weitere Randnotiz erwähnen, dass ich tatsächlich eine angeborene Körperprbehinderung habe, die aber nicht weiter auffällt und daher offensichtlich gerne mal von anderen übersehen wird. Normalerweise habe ich bis jetzt solche Aussagen ignoriert. In dieser Diskussion habe ich mich allerdings dazu genötigt gesehen, diese rhetorisch gemeinte Frage zu bejahen. Was darauf folgte war eine Verschärfung der Diskussion gefolgt von einer Grundsatzdebatte ob ich denn jede Aussage wortwörtlich nehmen müsse. Mich hat dieses Erlebnis frustriert und es beschäftigt mich bis heute – mehr, als es vielleicht sollte. Vor allen Dingen stelle ich mir in diesem Zusammenhang die Frage, wie das neutrale Wort “behindert” überhaupt mit einer negativen Bewertung in unseren allgemeinen Sprachgebrauch kommen und sich nun seit mehreren Jahren dort halten konnte. Mal ehrlich, wir leben in einer Gesellschaft, die sich eine monatelange Diskussion über Mohrenköpfe und Negerküsse leistet. Die anschließend die Kaufregale räumt und mit Schoko- und Schaumküssen füllt. Auch der Begriff “getürkt” für eine Fälschung ist, Gott sei Dank, mittlerweile nach einer ausführlichen Diskussion nahezu in der Versenkung verschwunden. Warum also brauchen wir nun neuen Randgruppen um etwas Negatives auszudrücken? Reichen unsere umfangreichen Ausdrücke wie “schlecht”, “scheiße”, “dumm”, “dämlich” oder “asozial” dafür nicht mehr aus? Nur so am Rande erwähnt, eine ähnliche Entwicklung lässt sich für den eigentlich neutralen Begriff “schwul” feststellen.

 Wir führen in dem Zusammenhang übrigens seit längerer Zeit eine weitere Diskussion zum Thema “Inklusion”. Die scheint offensichtlich spätestens beim alltäglichen Sprachgebrauch aufzuhören. Meiner Meinung nach sollte sie aber genau da anfangen: Solange der Begriff “behindert” in unserer Alltagssprache herabwertend benutzt wird, findet eine automatische Abgrenzung und Herabwertung von Menschen mit einer tatsächlichen körperlichen oder geistigen Behinderung statt. Bevor wir uns also in der Praxis mit dem Thema Inklusion auseinandersetzen, sollten wir also erst einmal im Kleinen mit der Sprache anfangen und beschreibende Wörter wie “behindert” oder “schwul” genau also solche zu verwenden und jegliche Wertung aus ihnen entfernen. Erst dann können wir überhaupt anfangen von einer wahren Inklusion zu sprechen.

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